Multiple Sklerose - Und plötzlich war alles anders

Der Gott, der mich sieht

Multiple Sklerose - Und plötzlich war alles anders: Der Gott, der mich sieht #diagnose ms #Kortison Nebenwirkungen #Multiple Sklerose I anseinerseite.de

Dieser Artikel ist eine Fortsetzungsgeschichte. Falls du Teil I und Teil II noch nicht gelesen hast, kannst du es hier tun.

Nach fünf Tagen hochdosierter Cortisontherapie konnte ich wieder richtig sehen. Am sechsten Tag, während der Visite, standen dann drei Ärzte mit mitleidigem Gesicht an meinem Bett: "Wir haben jetzt eine Diagnose gestellt, Sie haben eine leichte Form der Multiplen Sklerose.“ Okay, damit hatte ich schon gerechnet. „Für Sie ist es nun wichtig, einen geregelten Tagesablauf zu haben und möglichst wenig Stress. Achten Sie auf eine gesunde Ernährung und bewegen Sie sich. Suchen Sie sich einen Neurologen und beginnen Sie so schnell, wie möglich mit einer medikamentösen Therapie. Haben Sie jemanden, der Sie jetzt unterstützt?“ 

Ja, meine Pastorin war gerade zu Besuch, sie hatte mir jegliche Unterstützung angeboten. „Wir würden Sie jetzt gerne entlassen. Hier ist ein Termin für unsere MS-Ambulanz, Informationen suchen Sie sich wahrscheinlich aus dem Internet zusammen, oder?“

Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Ich konnte das Bett fast nicht schnell genug räumen. Aber mein Mittagessen durfte ich wenigstens noch essen bevor ich ging. So schnell war ich dann plötzlich wieder aus dem Krankenhaus heraus… und völlig allein mit dieser neuen Situation und der Multiplen Sklerose, einer Krankheit, die ich in keinster Weise einschätzen konnte. 

Die Nebenwirkungen des Kortisons waren massiv. Und auch von der letzten Flexüle war mein gesamter rechter Arm taub. Ich lebte wie in einem Nebel, war langsam, habe alles innerhalb von Sekunden vergessen und auch meine Wahrnehmung war eingeschränkt. 

Auf der Suche nach einem Arzt

Dennoch machte ich mich noch am Nachmittag auf den Weg in die Stadt, um mich bei meinem Hausarzt vorzustellen und um eine Krankschreibung zu besorgen. Leider hatte der allerdings nicht geöffnet. Den Weg nach Hause schaffte ich alleine nicht mehr, also setzte ich mich in ein Café und wartete auf meinen Mann, der mich dort abholte. 

Am nächsten morgen brachte er mich dann wieder zur Sprechstunde und diesmal hatte ich Glück. Die Schwestern halfen mir sogar dabei, schnell einen Termin bei einem Neurologen zu bekommen, was ja wirklich nicht einfach ist. Dennoch verging eine weitere Woche der Ungewissheit, bis zu meinem Termin. 

Ich verbrachte die Zeit damit, im Internet über die Multiple Sklerose zu recherchieren und Möglichkeiten zu finden, wie ich selbst Einfluss darauf nehmen kann, durch Ernährung etc. Doch einfach ist das nicht. Die Informationen sind so vielfältig, dass es tatsächlich schwerfällt, die guten Quellen auszusieben. Und auch die Nebenwirkungen erschwerten die Recherche sehr. Gott sei Dank habe ich einen wunderbaren Mann, der mich in der gesamten Zeit im Krankenhaus und auch darüber hinaus unterstützt und mir ganz viel Sicherheit gegeben hat. Auch er hat eine Autoimmunerkrankungen, die jedoch seit Jahren unter Kontrolle ist. Durch all seine Erfahrungen in dieser Zeit war und ist er eine ganz wichtige Stütze für mich.

Nebenwirkungen

Ich konnte nach meiner Entlassung zwar wieder richtig sehen, doch mit jedem Tag im Krankenhaus bin ich gefühlt etwas kränker geworden. Als ich dann zu Hause war, fühlte ich mich wirklich krank und war froh, dass ich die Zeit, in der mein Mann arbeiten musste, jeden Tag ganz gut überlebt habe. 

Nachts konnte ich wegen der Nachwirkungen der Cortisonbehandlung nicht schlafen. Ich hatte mehrere Kilo zugenommen und war aufgegangen wie eine Dampfnudel, mit all den Wassereinlagerungen überall. Ich hatte Schmerzen in den Knien und sie versagten mir nach etwas Anstrengung den Dienst. Auch die Cortison-Depression hatte zugeschlagen. Ich war müde und lustlos und fühlte mich schwer. 

Meine Konzentrationsfähigkeit und Gedächtnisleistung waren so gering, dass ich auf dem Weg von der Küche zum Schlafzimmer bereits vergessen hatte, was ich dort eigentlich wollte. Mein Mann musste mir eine Aufgabenliste schreiben, damit ich ein paar Dinge im Haushalt erledigen konnte, wenn es mir gut genug ging. 

Ich hatte Kraft, mit meinem Mann spazieren zu gehen, doch nach einer größeren Tour musste ich mich erstmal wieder hinlegen, weil ich zu erschöpft war, um aufrecht zu stehen (ein häufiges Symptom der Multiplen Sklerose, wie ich jetzt weiß). Und auch sonst brauchte ich regelmäßige Pausen, in denen ich schlafen konnte und Kraft tanken, um einfache Haushaltsaufgaben bewältigen zu können. 

Ich hatte sehr starke Kopfschmerzen und noch stärkere Nervenschmerzen, die mit jedem Tag schlimmer wurden. Die höchste Dosis Schmerztropfen reichte irgendwann einfach nicht mehr aus, sodass ich kurz vor dem Wochenende dastand und mich fragte, wie ich das überleben soll. Ich hatte keine Kraft mehr, diese Schmerzen zu ertragen. 

So wendete ich mich in meiner Verzweiflung an das Gebetsteam meiner Gemeinde mit der konkreten Bitte um die Heilung der Schmerzen. Morgens schickte ich diese Nachricht und am Nachmittag dann waren die Schmerzen fast komplett weg. Ich konnte wieder aufatmen, konnte wieder schlafen… und ich konnte es zunächst kaum glauben. Kein Schmerzmittel konnte das bewirken, was Gott für mich getan hatte. Gottes Größe ist einfach unfassbar!!!

Es geht aufwärts

Nachdem diese unfassbar schlimmen Schmerzen endlich weg waren, hatte ich das Gefühl, es geht Schritt für Schritt bergauf. Dennoch musste ich sehr genau aussieben, wer mich besuchen durfte und wer nicht. Manche lieb gemeinte Anrufe, Nachrichten oder auch unangekündigte Besuche konnte ich kaum bewältigen, weil mir die Kraft und die Kapazität in meinem Gehirn dafür fehlten. Alles strengte mich an. Es gab nur einige wenige Kontakte, die mir Kraft gaben und mich ermutigten und diese möchte ich auch nicht mehr missen!

Ich begann, Konzentrations- und Gedächtnistraining zu machen, machte Dehnübungen und bewegte mich regelmäßig…Da ich keine Reha hatte, musste ich diese für mich zu Hause durchführen. Zum Glück, hatte ich durch mein Studium und meine Praktika eine grobe Vorstellung davon, wie eine solche Reha aussieht und konnte das für mich ziemlich gut umsetzen.

In der darauf folgenden Woche musste mein Mann auf Dienstreise gehen. Zunächst hatte ich Bedenken, ob ich alleine zu Hause gut zurecht komme. Doch dann habe ich so viele Hilfsangebote erhalten, dass die Zeit für mich kein Problem war. Dafür bin ich unendlich dankbar. Ich setzte einfach einen Fuß vor den anderen, machte das, was mir vor die Füße fiel und konnte ziemlich viel erledigen.

Und dann kam der lang ersehnte Arzttermin, der leider eine große Enttäuschung war. Nachdem ich vier Stunden im Wartezimmer saß und wartete, fragte mich die Ärztin, ob ich mir schon überlegt hätte, welches Medikament ich denn nehmen wolle. Ich dachte, sie wolle mich veräppeln, doch das war ihr absoluter Ernst. 

Unter dem Druck der Ansage aus dem Krankenhaus, dass ich schnellstmöglich mit der Medikamenteneinstellung zur Behandlung der Multiplen Sklerose beginnen solle, dachte ich, ich bekomme jetzt eine gute Beratung und Empfehlungen, die mich in meiner Entscheidung unterstützen. Doch weit gefehlt.

Also ging ich nach Hause, nicht viel schlauer als zuvor aber mit der Info, ich könne ab Montag wieder arbeiten gehen. 

Ich fühlte mich soweit auch besser, dass ich den Eindruck hatte, ich könne es bewältigen. Konzentration und Gedächtnis waren wieder besser und auch meine Kraft hatte zugenommen. Lediglich Auto fahren wollte ich noch nicht, weil meine Wahrnehmung weiterhin eingeschränkt war. 

…und irgendwie ist doch alles anders

Ganz motiviert fuhr ich am Montag mit dem Fahrrad zur Arbeit. Anschließend hatte ich einige Aufgaben zu erledigen und ging dann zu Fuß noch schnell zur Post. Doch auf dem Rückweg setzte die Fatigue (Erschöpfungszustand bei Menschen mit Multipler Sklerose) wieder ein, so dass ich es kaum noch schaffte, wieder nach Hause zu laufen. 

Da wurde mir plötzlich bewusst, dass es nicht mehr alles so wird, wie vorher. Die Vorstellung, dass ich mich nur von Krankenhausaufenthalt erholen müsse, hatte mich über Wasser gehalten. Aber jetzt erkannte ich, dass ich meinen Tagesablauf komplett umstellen musste, meine ToDo-Liste und meinen Kalender anpassen musste, um den Tag gut zu überstehen. Denn Stress muss ich ja vermeiden, da bei der Multiplen Sklerose Schübe (also die VErschlechterung der körperlichen Verfassung) vor allem in besonders stressigen Phasen ausgelöst werden. 

Diese Umstellung meines Lebens war und ist wirklich schwer für mich, zu erkennen, dass meine Leistungsfähigkeit nicht mehr so ist, wie früher. Doch wie soll ich in einer Welt leben, in der man sich daran misst, wie viel man am Tag geschafft hat? 

Da trifft mich meine Menschenfurcht, mein Wunsch nach Anerkennung der anderen, die Angst, dass jemand schlecht über mich denken oder reden könnte. Ich muss täglich einen Mittagsschlaf machen, um den Tag zu überstehen. Ich musste in den ersten Monaten alle Abendtermine absagen, da ich abends nicht mehr in der Lage war, zu funktionieren. Ich bin ein Mensch, der sehr viel Kraft in Beziehungen steckt, aber auch diese Kraft fehlte mir. Dadurch musste ich meine Kontakte stark reduzieren. So habe ich auch ein bisschen den Anschluss an die Gesellschaft verloren. Das geht schnell, wenn man nicht mehr an all den Veranstaltungen und Angeboten teilnimmt.

Aber wenn ich einen Tag lang nicht gut auf mich achte, bin ich so erschöpft und kraftlos, dass ich am nächsten Tag Schwierigkeiten habe, überhaupt aufzustehen. Für einen Menschen, der immer wieder in ein absolutes Leistungsdenken abrutscht, ist das nicht leicht. 

Kommentare wie: „Müde sind wir alle!“ oder „Ach ja, einen Mittagsschlaf würde ich auch gerne mal wieder machen!“, helfen da leider nicht weiter. Ein Verständnis für diese Art von Symptomen bei Multipler Sklerose oder anderen Krankheiten fehlt in dieser Gesellschaft sehr. Und ich kann es auch nachvollziehen, denn man weiß einfach nicht, wie sich eine Fatigue anfühlt, bevor man sie selbst erlebt hat. 

Doch ich habe auch im Alltag viel Unterstützung und Verständnis erfahren. Einige Bekannte haben mir Kontakte zu anderen Ärzten vermittelt, die mich beraten haben und mir geholfen haben, die Multiple Sklerose besser einzusortieren und mir ein Medikament auszusuchen. Ich konnte durch diese Beziehungen auch meinen Neurologen wechseln und fühle mich dort gut beraten und gut aufgehoben. Auch darin sehe ich ganz viel Führung und einen großen Segen.

Fortsetzung folgt...

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Treue - Und plötzlich war alles anders

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