Welt-MS-Tag: Zeit Zurückzublicken

Zeit zurückzublicken

Am Sonntag war Welt-MS-Tag. Das hat mich angeregt, nochmal ein bisschen zu reflektieren und die letzten 1,5 Jahre Revue passieren zu lassen. Zurückzublicken hilft dabei, weiter nach vorne zu gehen. Denn im Rückblick mache ich mir bewusst, was mich beschäftigt, sehe Kämpfe, die ich habe aber auch Fortschritte, Veränderung und Heilung. Auf diese Art wird der Weg, den ich gehen möchte, klarer und fokussierter. Ich rufe mir in Erinnerung, wohin ich gehen möchte, wo mein Ziel ist, orientiere mich neu und passe die Richtung an, wenn ich vom Weg abgekommen bin.

Mit meinem ersten Schub wurde mein Leben irgendwie komplett auf den Kopf gestellt. Ich war plötzlich darauf angewiesen, mich ganz neu mit mir auseinanderzusetzen, Entscheidungen zu treffen, die ich eigentlich nicht treffen konnte und viel über die Krankheit, ihren Verlauf, Behandlungsmöglichkeiten und andere Möglichkeiten für einen angemessenen Umgang damit zu lernen.

Es kostet Zeit und Kraft, neue Routinen zu entwickeln und einzuüben und herauszufinden, wie das neue "Normal" aussehen soll. Denn wenn ich ehrlich bin, dachte ich zunächst, ich kann meine alte Leistungsfähigkeit zurückgewinnen. Auch wenn ich schnell merkte, dass das nicht möglich ist, habe ich unterbewusst dennoch immer darauf hingearbeitet.

Es ist auch nach 1,5 Jahren noch nicht leicht, einen guten Weg zu finden, gute Grenzen zu setzen und sie zu kommunizieren, denn man sieht mir die Krankheit nicht an.

Es ist oft für andere nicht greifbar, wenn ich sage, dass ich erschöpft bin und den Tag ohne Mittagsschlaf nicht überstehen würde. Aussagen, wie "Müde sind wir alle" oder "ich würde mich auch gerne mal mittags hinlegen" helfen da nicht besonders, auch wenn sie nicht böse gemeint sind.

In einer Welt, in der man über Leistung definiert wird, kann man so kaum bestehen. Es geht so weit, dass ich mich oft selbst hinterfrage. Sätze, wie "Stell dich nicht so an", "andere schaffen es doch auch",... schleichen sich immer wieder in meine Gedanken.

Die MS schränkt mich in meiner Leistungsfähigkeit ein und es ist für mich nur schwer, das zu ertragen und das Gefühl zu haben, mich vor mir und anderen rechtfertigen zu müssen.

Ich merke, dass ich in einer Spirale festhänge, denn was ich tue, ist nie genug für mich. Das war schon früher so und ist es heute noch. Un manchmal habe ich das Gefühl, mein Körper hat irgendwann einfach entschieden, dass es reicht. "Wenn sie nicht selber merkt, dass sie den Stress reduzieren muss, dann schalte ich eben ab, ich halte es nicht mehr aus."

Die MS schiebt mir einen Riegel vor. Sie hilft mir, meine Grenzen zu erkennen und wahrzunehmen. Mein Körper signalisiert mir sofort, wenn ich mich wieder übernommen habe, wenn ich mich zu sehr stresse. Es ist ein Lernprozess, eine Möglichkeit, mich immer besser kennenzulernen und eine gute Balance zwischen Arbeiten und Ruhen zu finden. Und ich wünsche mir, dass ich den Wert dessen mehr erkennen kann. Mein Körper meldet mir, wenn ich nicht gut mit mir umgehe und unterstützt mich darin, dies zu ändern.

Ich lerne, herauszufinden, was mich stresst und was mir neue Energie gibt. Ich hinterfrage Einstellungen und Verhaltensmuster, festgefahrene Glaubenssätze und Einstellungen in Bezug auf meinen Glauben. Ich erkenne, dass ich an manchen Stellen Prägungen habe, die mir nicht gut tun und darf in der Auseinandersetzung damit lernen, mehr und mehr aus der Beziehung zu Jesus zu leben, mich von ihm verändern, heilen, führen und leiten zu lassen, festgefahrene Ideologien zu entlarven und mit Jesu Liebe und Weisheit zu ersetzen.

 

Der Corona-Lockdown und die Kontaktbeschränkungen haben mir sehr dabei geholfen, zu verstehen, wie ich funktioniere. Denn mir war nicht bewusst, wie sehr ich mich auch durch eigentlich gute Dinge habe stressen zu lassen. Zu erkennen, wie wichtig die Zeit ist, die ich nur für mich alleine habe, wie gut es tut, nicht jeden Abend einen anderen Termin zu haben, sondern einfach zu Hause zu sein, war unendlich heilsam.

Ich darf lernen, wie viel Gemeinschaft mir gut tut und wie viel Rückzug ich brauche. Ich darf lernen, die kleinen Dinge im Alltag zu sehen und zu schätzen und nicht immer nach Großem zu streben.

Ich darf lernen, in meiner Berufung, nämlich der Aufgabe, die Gott mir heute gibt, treu zu sein und nicht ständig nach etwas Besserem zu fragen.

Ich darf lernen, zu vertrauen, dass ich nicht alles unter Kontrolle habe aber dass Gott alles in seinen Händen hält. Aus seiner Kraft heraus darf ich leben und in meiner Schwachheit ist er stark.

In meinem Zerbruch hat sich Gott als treu erwiesen. Er ist der, der bleibt, auch wenn ich nichts mehr geben kann.

Mein Wert ist nicht abhängig von meinen Leistungen, meiner Performance im Leben, dem, was andere über mich denken. Mein Wert besteht einzig und allein in der Identität, die Gott mir gibt. Ich bin seine Tochter, ich bin eingepfropft in sein heiliges und auserwähltes Volk, ich war ihm so viel Wert, dass sein einziger Sohn freiwillig sein Leben für mich gab, damit ich in Beziehung mit Gott leben darf und alles ausgeräumt wird, was mich von ihm trennt. Durch seine Liebe bin ich gerettet, seine Liebe macht mich frei, darauf kann ich mich verlassen.

Gedanken gehen in meinem Kopf herum, ich bin mitten drin in dem Prozess. Noch lange nicht am Ziel aber auf dem Weg. Meine Erkenntnis ist Stückwerk und ich darf weiter lernen, weiter fragen, weiter auf dem Weg sein. Und ich darf wissen, dass Jesus jeden Schritt mitgeht, dass Gott größer ist, als alle Umstände, als alles, das im Moment schwierig scheint und dass der heilige Geist mich führt und leitet.

Noch immer stresse ich mich, noch immer versuche ich, zu leisten, doch ich bete, dass ich Schritt für Schritt Heilung und Freiheit erfahre.

Nimmst du dir auch manchmal Zeit zurückzublicken? 

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